Geschichten, Glossen, Satiren, Humor, Unsinn, Erleuchtung - ich lache auch für Kalauer

Dienstag, 13. Dezember 2011

Möhrenmenschen

Eine besondere Spezies ist der Möhren- oder auch Apfelmensch.
Ich nenne sie so, weil Exemplare dieser Art zu jeder Mahlzeit eine rohe Möhre und / oder einen Apfel vertilgen müssen.

Mehrere von ihnen sind mir kürzlich während einer Zugfahrt begegnet. Das eine war ein Mann. Er hatte eine Frau und zwei wohlerzogene Kinder dabei. Die Frau sah ich nur von hinten, deswegen ich von ihr nicht viel berichten kann. Der Mann saß ihr - und mit ein paar Reihen Abstand auch mir - gegenüber. Er hat auf der ganzen Fahrt, über mehrere Stunden hinweg, Rohkost verzerrt. Habe ich es mir nur eingebildet, dass sein Gesicht einen unerträglich blasierten Ausdruck hatte? Nein.

Er kaute bedächtig in selbstgefälliger Meditation. Nach der siebten Möhrrübe dachte ich, jetzt sei es genug, aber nach der siebten Mohrrübe hatte er noch nicht mal mit dem anderen Gemüse angefangen. Vom Obst ganz zu schweigen. Was kann man alles roh essen? Alles. Und er tat es. Und seine Familie tat es. Ein ganzer Bio-Bauernhof befand sich ungewürzt in ihrer Reiseprovianttasche.

"Schmeckt rohköstlich." Ein Schmunzeln und die anständigen Kinder freuten sich leise über den feinen Witz ihres Vaters.

Der Zufall wollte es, dass sich zugleich Menschen mit ganz anderen Essgewohnheiten und Umgangsformen im Abteil befanden: Zwei breit berlinernde Familien mit jeweils einem zehnjährigem Sohn. Es gab Zuckerriegel und Kaugummi für Jeremi und Damon und Wurststullen für die Erwachsenen. Getrunken wurde Cola. Die Eltern nahmen bei ihren, über Sitzreihen hinweg, geführten Gesprächen kein Blatt vor den Mund (und schon gar kein Salatblatt). Jeremi und Damon funkten laut dazwischen, freundeten sich an und unternahmen gemeinsame Expeditionen durch das Abteil.

Die Möhrenfamilie wahrte Contenance. Nicht mal die Kinder (im gleichen Alter wie Jeremi und Damon) ließen sich etwas anmerken. Sie mümmelten Broccoli und Sellerie und konversierten fade. Der Vater behielt seinen blasierten Gesichtsausdruck, bis sie wie auf Kommando aufstanden, die Jacken anzogen und ihre Koffer von der Ablage hievten. Zurück blieb ein Kohlrabischnitz, der dem einen Kind heruntergefallen war. Vielleicht hat das Kind den Schnitz auch extra fallen lassen. Man weiß nie, wann und wo die Rebellion anfängt.

Ich bin inzwischen überzeugt, dass dies keine gewöhnlichen Möhrenmenschen waren, sondern sogenannte Rohkost-Fundamentalisten. Diese Menschen kämpfen einen genau so irrsinnigen, wie blödsinnigen und ungesunden Kampf gegen die "Abhängigkeit von Gekochtem". Sie glauben, alles, was über 45 Grad erhitzt wurde, sei abgestorben und aller Nährstoffe beraubt. Davon halte sich fern, wer kann.

Möhrenmenschen hingegen sind harmlos. Ein wenig Möhrenmensch steckt in den meisten von uns.

Auf der Rückfahrt stieg eine Frau ein, vom Typ "Viel-unterwegs-immer-etwas-zu-sehr-in-Eile-auf-gesunde-Lebenshaltung-achtend-aber-in-letzter-Zeit-zu-wenig-Zeit-für-Sport-was-ihr-ein-schlechtes-Gewissen-verursacht. Sie haute sich auf die freie Bank neben der meinen und zog ein Magazin und ein Käsebrot aus ihrer Tasche.

Dabei gibt es zwei Dinge zu beachten.

Erstens: Das Brot war (natürlich) gesund, vollkornig, ballaststoffreich und zweitens: Jedes Prozent Fett im Käse muss vom Möhrenmenschen durch etwas Leichtes aufgewogen werden.
Also holte sie noch eine Tüte mit kleinen Möhrchen aus ihrer Tasche. Knack knack knack.

Ich habe nichts gegen Möhren oder andere Rohkost, ich esse selber Möhren, Äpfel, Schlangengurken, Paprika und weiß der Geier was. Jeder kann das machen und muss dennoch kein Möhren- oder Apfelmensch sein. Denn diese Menschen haben keine Wahl. Sie müssen es tun. Zwanghaft. Getrieben von einem Dämon, der ununterbrochen fragt: "Ist das auch gesund? Welche Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe? Wieviel Fett, Kohlenhydrate oder Eiweiß?" Und dergleichen mehr.

Das ist der Unterschied. Möhrenmenschen sind Gesundheitsstreber. Sie werden unweigerlich krank, wenn sie einmal nichts gesundes essen. Sie tröpfeln Öl mit der Pipette über ihre Tomaten. Sie salzen mit einem Messlöffelchen und bei jeder Nudel, die sie mit ihrer Gabel aufpieksen, fühlen sie sich verwegen, heldenhaft und sündig. Selbstverständlich essen sie dazu als Ausgleich einen gesunden Salat!

Ihre Kinder bekommen an Ostern Laktoseintoleranz statt Schokolade und zu Weihnachten eine Essstörung statt Braten.

Sie sind vollkommen überzeugt von ihrer Art, sich zu ernähren, und denken doch ständig, sie machten was falsch.

Mittwoch, 16. November 2011

In der 1. Klasse nach Lille: Unterwegs mit dem Bratwurstkönig und einem belgischen Zuhälter

Ja ja, die Bahn. Da will man gar nicht immer über die Bahn spötteln, viel lieber möchte man glücklich mit ihr, in ihr und trotz ihr sein – und dann flattert einem ein Flyer ins Haus, mit der all zu billigen Fangfrage:

„Sind Sie auch ein 1. Klasse-Typ?“

Hut ab, vor so viel gewiefter Psychologie. 

Unter dem Text das Bild eines grau melierten, doch jugendlich wirkenden Mannes, der sowohl zum Golfplatz als auch zum Kaffee bei der Schwiegermama unterwegs sein könnte. Für einen Ausflug nach Lille reicht das Geld nicht, aber dazu später mehr.

Das ist also der Typus 1.-Klasse. Schade. Erste Klasse wäre ich vielleicht gerne gefahren (man munkelt es gibt Zeitungen umsonst, Schokoladenplätzchen und belgische Gogo Tänzerinnen), aber mit diesem Typen in einen Topf geworfen zu werden – nein danke. 

Der 1.-Klasse-Typ ist „ein besonderer Typ“. Laut Bahn muss er häufig telefonieren (merken Sie, was für ein toller Hecht das ist?), aber statt ihn deswegen raus zu werfen oder gar nicht erst rein zu lassen, sorgt die Bahn für „optimierten Handy-Empfang". So kann er seine schmutzigen Gespräche führen, „wann immer er möchte“. 

Zugleich möchte der 1.-Klasse-Typ in aller Ruhe arbeiten. Pardon, in aller Ruhe „professionell Arbeiten“. Bedeutet das, pro Abteil darf jeweils nur ein 1.-Klasse-Typ sitzen, der entweder telefoniert oder die Ruhe hat zum professionellen Arbeiten, oder (auch das eine der high-service Optionen), sich einfach zurück lehnt und es sich bequem macht?

Ansonsten sollte der 1.-Klasse-Typ darauf bedacht sein, jeden Vorteil wahr zu nehmen, der sich ihm bietet. Das ist die smarte Art von Egoismus: Nicht in der Schlange vordrängeln, sondern einen eigenen Schalter ohne Schlange haben. 

Wie wird man zu einem 1.-Klasse-Typen? Natürlich indem man zahlt, denn wie bei jeder guten Hure gibt’s auch bei der Bahn den Service nur für Geld. 

Doch kommen wir zu den Vorteilen, die die Bahn bietet, auch wenn man kein toller Hecht sondern vielleicht nur ein armes Schwein ist: 

Sie bringt uns an ferne Orte, an exotische Orte, an absurde Orte. Wie wäre es mit einem Ausflug ins 1. Deutsche Bratwurstmuseum?

Braucht kein 1. Klasse Abteil:
Der Bratwurstkönig
Es heißt:

„Die Thüringer Bratwurst hat mit dem 28. Mai 2006, der Eröffnung des 1. Deutschen Bratwurstmuseums in Holzhausen, ein zu Hause“

Endlich, die Bratwurst, auch die kleinen Bratwürstchen, auch Oma Wurst und Opa Brät, haben ein zu Hause! Ich gönne es der ganzen Bratwurst-Familie. Vor allem aber freut mich, dass es ein weiteres Wort mit drei „u“ gibt. 

Bisher kannte ich nur die Lousianalulu und die Bumsboutique. Falls Sie jetzt denken, einen Namen wie Lousianalulu gibt’s im echten Leben gar nicht, dann kennen Sie sich im Rotlichtmilieu nicht aus.

Sagt Ihnen der Name Dodo la saumure etwas? Den gibt es wirklich. Dodo la saumure ist der Ganoven-Spitzname eines belgischen Zuhälter, der das Liller Hotel Carlton (eine Art Bumsboutique) mit Prostituierten versorgt hat. Dodo la saumure heißt auf deutsch nichts anderes als (bestimmt wissen Sie es bereits) : Dodo, die Salzlake. Wie seine Ganoven-Kollegen genannt werden, weiß ich nicht, tippe aber auf Louis, das Murmeltier und Jean Baptiste, das andere Murmeltier.

Doch weg von den Schweinereien, hin zu Schweineprodukten. 

Das 1. Deutsche Bratwurstmuseum bewirbt seine Attraktionen mit der Aussage „Das gibt’s nur bei uns!“ Und damit haben sie verdammt recht. Sowas könnte sich nicht mal Dodo die Salzlake ausdenken. Es gibt:

„die größte begehbare Bratwurst der Welt“

„einen Bratwurstkreisel“

„einen Bratwurstkönig“

„einen Bratwurstsongcontest“

„eine Bratwurstiade“

Wer sich akademisch bilden möchte, kann ein „Bratwurstseminar“ mit einem „Bratwurstdiplom“ abschließen.

Und für alle Kulturinteressierten spielt das Bratwursttheater „Hans Wurst und die Liebesbratwurst“.

Was sich so lecker anhört, kann nur gut sein. Da weiß man, was man hat und das sieht man auch auf einem Bild: Mehrere schmerbäuchige Mannsbilder stehen sichtlich beeindruckt vor einem überdimensionierten Wiegemesser und denken im besten Fall an ihre Metzger, im schlimmsten an ihre Frauen, im allerbesten an einen 1.-Klasse-Typen.

Und damit gebe ich zurück an die angeschlossenen Wursthäuser...

Ihr MBW

Montag, 7. November 2011

Und sie dreht sich noch immer

Die Erde dreht sich – ununterbrochen, vierundzwanzig Stunden am Tag und das auch in der Nacht.
Es gibt keinen Stillstand, keinen Ruhetag, nicht mal unbezahlten Urlaub. Sie dreht sich.
Und wir sind dabei.
Sommer war, Herbst ist, Winter wird und der Frühling läuft sich schon warm. So kreist die Erde um die Sonne und die Zeit bleibt nicht stehen.
Wir, die Erdenbürger, sind unterwegs.
Manche sagen, wir entwickeln uns; andere sagen, früher war besser. Der eine sagt, es gehe ihm alles zu schnell; der andere fragt: Wann sind wir endlich da? Und ein dritter sträubt sich und will nicht weiter. 
Aber es geht weiter. Gerade haben wir die 7-Milliarden-Menschen-Marke erreicht. Zweiundzwanzig davon sind meine Facebook-Freunde, 6.999.999.978 Freundschaftsanfragen stehen also noch aus.
Doch vorerst möchte ich Nargis, Alexander und Danica aus Indien, Russland und den Phillipinen begrüßen, die jeweils von ihren Ländern als siebenmilliardenster Erdenbürger benannt wurden.
Somit gibt es offiziell drei 7-Mrd-Babies, aber 1,3 Mrd Chinesen. Wenn nur ein Prozent von ihnen Urlaub in Deutschland machen würde, liefen jetzt 13 Millionen durch unsere Straßen.
Seit ich diese Rechnung angestellt habe, fallen mir Massen chinesischer Touristengruppen auf. Man sieht sie vor allem am Main, am Römer und in Duty Free Haushaltswarenladen auf der Berliner Straße. Ich weiß nicht, was sie an deutschen Kochtöpfen finden, aber in diesen Läden sieht man sie ständig und es ist ein großes Bohei.
Mit großer Freude beobachte ich auch Asiaten beim Sich-gegenseitig-Fotografieren. Da wird posiert, gegiggelt, gelächelt und ernst geschaut – Hauptsache, ein Fachwerkhaus im Hintergrund oder ein Dom oder ein Brunnen. 

Das erinnert mich an Urlaubsbilder, einer ehemaligen Arbeitskollegin. Sie unternahm mit ihrem türkischen Mann eine Reise nach Istanbul. Wenn sie von ihrem Mann sprach, nannte sie ihn immer „den Ollen“ – und der Olle war auf jedem Bild zu sehen. Mit ernstem Gesicht, Bauch und Schnäuzer stand er vor einer Sehenswürdigkeit, und jedes Bild war verwackelt und schief, und der Olle war genauso unscharf wie die Sehenswürdigkeit. Was sagt man in so einem Fall? 
„Interessant! Und das ist die Hagia Sophia?“
„Ne, das ist der Olle.“
Es gibt unter den sieben Milliarden auch welche, denen ich keine Freundschaftsanfrage stellen möchte.

Während ich dies schreibe, geht es weiter. Vielleicht in die Rezession oder in die Inflation, oder erst mal in den Winterurlaub.
Reisen am Jahresende haben den Vorteil, dass man sich nicht fragen muss, wo und mit wem man Sylvester verbringen soll, und den Nachteil, dass man sich fragen muss, wohin und mit wem man in Urlaub fahren will. Geworben wird viel und süß ertönt das Lied von Sonne, Palmen und all inclusive; aber eine anständige Werbeanzeige für magische Destinationen verführt mit vier Bildern, auf denen gezeigt wird: 
Ein exotisches Tier (sattgrüner Frosch oder galoppierender Gepard), eine beeindruckende Landschaft (grüne Berglandschaften / Sturzbäche), ein bekanntes Bauwerk (Hagia Sophia / Halle der Höchsten Harmonie) und ein oder mehrere pittoreske Einheimische in authentischen Situationen (Kunsthandwerker / Marktleute).
Falls jemand ein Motiv für den Einheimischen in authentischer Situation braucht: Ich mache mir jetzt ein Bier auf sage zàijiàn und arrivederci; tschüss und ciao; hasta luego e à bientôt. 

Ihr MBW

Sonntag, 30. Oktober 2011

Pandas im Kino

Das Leben kann ein Abenteuer sein. Trotz aller Bürokratie. Einfach mal dreizehn gerade sein lassen, so wie der Bundesfinanzhof, der entschieden hat, Popcorn im Kino grundsätzlich nur mit 7% zu versteuern, im Gegensatz zur Currywurst an Imbissständen mit Sitzgelegenheiten: Dort wird mit 19% versteuert.
Ja, das Leben ist ein Abenteuer.
Stellen Sie sich vor, sie säßen im Kino, mit einer Tüte steuerbegünstigtem Popcorn, und während Sie sich eine Hand voll nach der anderen in Ihren Mund schieben, kommt ein Pandabär und setzt sich neben Sie.
Er hat kiloweise Bambus dabei, aber keine Ahnung vom deutschen Steuerrecht. Er knabbert genüßlich an den Zweigen, dass es nur so knackt und schmatzt.
„Die Vorstellung, dass ein Pandabär mit einem armvoll Bambus neben mir im Kino sitzt, ist vollkommen unrealistisch", werden Sie sagen. „Damit kommt er niemals durch die Kontrolle."
Mit der Kontrolle haben Sie recht, also seien Sie großzügig, geben sie dem Bären neben Ihnen etwas ab, reichen Sie ihm die Schachtel rüber und wenn er aus höflicher Bescheidenheit mit seiner Pfote abwinkt, ermuntern Sie ihn:
„Greif’ zu, Panda, ist für lau. Und nachher erzählt du mir, wie du das mit dem Bambus machst.“
Davon isst er nämlich rund zwanzig Kilogramm am Tag, obwohl sein Darmsystem völlig ungeeignet für solche zähen Pflanzenstoffe ist - und auch wenn sein Riesenschädel und die kräftigen Kaumuskeln viel an Vorarbeit leisten, blieb seine Verdauung bis vor kurzem ein Rätsel.
Mir ist ein Rätsel, warum die Mehrheit der Deutschen für eine Helmpflicht auf dem Fahrrad sein soll.
Dabei kann ich den Herrn Verkehrsminister Ramsauer gut verstehen, wie er, beinahe entschuldigend, sagte: „Wenn sich die Helmtragequote von neun Prozent nicht signifikant auf weit über 50 Prozent erhöht in den kommenden Jahren, dann muss man fast zu einer Helmpflicht kommen“.
Was soll er denn machen, der Herr Ramsauer, angesichts solcher Zahlen und allgemeiner Sturrheit?
Gut, er könnte für bessere Radwege oder Tempo 30 Zonen eintreten. Er könnte sich bemühen, dass weniger Menschen das Auto nehmen und statt dessen Lust auf's Fahrrad fahren bekommen.
Wer will denn noch auf's Rad steigen, wenn man jedesmal erst einen Helm suchen, finden und aufsetzen muss? Und wie sollen Fahrraddiebe damit klarkommen? Abends in der Kneipe saufen und immer einen Helm dabei haben für den Fall, dass man ein Rad für den Nachhauseweg knacken muss? In Städten gibt es inzwischen Massen an Mietfahrrädern, die an Ecken und Plätzen zur spontanen Nutzung stehen. Sollen die dann alle mit einem verflohten Helm ausgerüstet werden?
Und was machen Menschen mit großem Kopf? Oder Schrumpfköpfe? Ist es bald wieder so weit? Was machen Pandabären mit ihren Riesenschädeln?
Warum nicht eine Helmpflicht für Autofahrer? Soll denen doch der Spaß vergehen.
Aber vielleicht ist das alles nur ein PR-Gag. Immer öfter höre oder lese ich den Begriff PR-Gag. So ein PR-Gag soll großes Erstaunen und mega Aufmerksamkeit erregen. Es ist sowas wie ein Aprilscherz von Werbetreibenden oder Journalisten auf der Suche nach großen Abenteuern jenseits von Popcorn und Fahrradhelmen.
Und das Unheimlichste: Es gibt Menschen, die sich PR-Gags ausdenken. Die sitzen irgendwo und denken oder labern und überlegen sich, dass man ja mit etwas ganz Großem, einen Event eventuell, etwas Unwichtiges wichtig machen kann.
Der Trick dabei ist, Nachrichten zu lancieren, bei denen exakt 33% der Bevölkerung glauben, sie sei wahr und 67% glauben, das sei nur ein PR-Gag.
Jetzt habe ich zum Beispiel gelesen, die Rockband The Queen möchte Lady Gaga als Sängerin – und sofort wurde diese Nachricht als PR-Gag angezweifelt.
Her Majesty The Gaga Queen – und welche Freude, wenn sie dann „Radio Ga Ga" singt (kommt sie um ein „all we hear is Lady Gaga“ herum?).
Fragen über Fragen, dabei wollte ich doch nur die eine noch beantworten:
Im Darm von Pandabären leben Bakterien, die Enzyme zum Abbau harter pflanzlicher Stoffe liefern. Es sind die kleinen Bakterien, die den großen Bären beim Verdauen helfen. Und das ist ja wohl ein versöhnliches Abschlussbild.

Bis zur nächsten Woche, Ihr MBW

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Was macht eigentlich... beim Zähneputzen?

Geschichten des täglichen Lebens

   Quelle: zeno.org
Ich sage es lieber frei heraus: Die Dame meines Herzens leidet unter einer Zähneputz-Aufräum-Manie. Eigentlich bin ich es, der darunter leidet. Sie selbst scheint in einem beseelten Zustand zu schweben, wenn es sie packt - und es packt sie jeden Abend.
Sie verschwindet im Badezimmer, verbringt dort einige Zeit, manchmal pfeift sie eine Melodie, manchmal höre ich nichts, dann geht die elektrische Zahnbürste an, die Tür geht auf und die Dame meines Herzens tritt hinaus. Die Haare hoch gesteckt, den rechten Ellbogen nach vorne gestreckt, die Hand zeigt zum Mund, im Mund die Zahnbürste. Während sie vor sich hinbrummt, beginnt sie, die Wohnung aufzuräumen. Trägt eine Zeitschrift von hier nach da, ein Glas in die Küche, putzt kurz die Fenster und bringt den Müll runter.
Ich sollte vielleicht froh sein, dass sie so ein fleißiges Bienchen ist, aber ihr Gesumme geht mir auf den Wecker. Kann sie nicht Brummen, wenn ich nicht zu Hause bin? Jetzt schwirrt sie wieder durch die Gegend. Ich höre sie durch die geschlossene Türe. Sie geht vom Badezimmer ins Wohnzimmer, durch den Gang in die Küche, kommt wieder zurück, ins Wohnzimmer, hält sich dort eine Zeit lang auf, dann nähert sich das Brummen wieder, die Tür geht auf und die Dame meines geschundenen Herzens tritt herein.
„Kannst du nicht deine Zähne im Bad putzen?“
Sie schaut durch mich hindurch, ihr Blick wie in Trance. Sie muss aufräumen, sie hat eine Mission – wenn ich sie so sehe, beginne ich an Dinge wie die Verkündigung Marias zu glauben, nur spricht zur Dame meines Herzens nicht der Erzengel Gabriel, sondern eine Zahnbürste der Marke Braun und sie empfängt nicht Gottes Sohn sondern die Sendung, Ordnung in der Bude zu schaffen.
Die dem profanen Weltgeschehen abgewandte, auf Höheres gerichtete Entschlossenheit in ihrem Blick jedoch erinnert an den Ausdruck in Marias Augen auf Jan van Eycks Gemälde „Maria Verkündigung“.
Ich habe die Dame meines Herzens einmal gefragt, warum sie beim Zähneputzen immer herum laufen muss.
„Nadine Angerer macht das auch“, hat sie geantwortet.
Nadine „Natze“ Angerer, ist Torhüterin und inzwischen auch Spielführerin der deutschen Damen-Fussball-Nationalmannschaft.
„Nadine Angerer hat das Tor gegen Japan reingelassen.“ Ich denke, das reicht als Argument, dass das Verhalten dieser Frau nicht als Ausrede oder gar Vorbild dienen sollte.
„Zähneputzen ist so langweilig“, sagt sie.
Für mich ist Zähneputzen Zen-Meditation. Ich blicke in den Spiegel, verfolge mit größter Aufmerksamkeit wie die Zahnbürste langsam kreist. Ich konzentriere mich auf die Muskeln meiner Finger, meines Armes, werde mir bewusst, welche Körperteile angespannt sind, entspanne meine Schultern, den Rücken, die nicht genutzten Muskel. Voller Achtsamkeit erspüre ich den Druck der Zahnbürste auf meinem Zahnfleisch und wenn ich genug meditiert habe, denke ich an die Fussballspiele der letzten Tage. Nach dem Zähneputzen bin ich reif fürs Bett.
Die Dame meines Herzens erwacht dabei. Manchmal kommt es vor, dass sie spät abends auf der Couch einschläft. So auch gestern. Ich beugte mich zu ihr hinab.
„Chérie, geh’ doch ins Bett.“
Sie gab einen unartikulierten Laut von sich, der ausgesprochen „Knoblauch und Zwiebeln“ bedeuten könnte. Ich fuhr zurück. Wein war auch dabei.
Auch wenn ich es nicht gerne sagte, auch wenn ich wusste, was passieren würde – es war das Beste – auch für sie.
„Chérie, du musst dir noch die Zähne putzen.“
Sie versuchte mich anzuschauen, bekam aber die Augen nicht auf. Sie war versunken in tiefster Nacht. Ich redete ihr nochmals zu. Sie kämpfte sich mit unerträglicher Langsamkeit hoch, plapperte ein bisschen und trottete mit gesenktem Kopf Richtung Badezimmer.
„Aber nicht auf der Toilette einschlafen“, rief ich ihr noch nach, dann war sie verschwunden.
Sekunden später hörte ich das altbekannte Brummen, die Türe ging auf und die Dame meines Herzens stürmte heraus, voller Tatendrang und munter wie eine Amsel am frühen Morgen.

Dienstag, 27. September 2011

Das FBI wohnt gegenüber

Daheim bin ich König und kann des Kaisers neue Kleider tragen so oft ich will. Aber das kann auch gefährlich sein. Wir werden überwacht. Das FBI wohnt gegenüber und hat direkten Blick in unsere Küche und in unser Schlafzimmer. Das FBI ist ca. 67 Jahre alt und gibt sich auf der Straße den Anschein hausbackener Biederkeit.
Doch auf der Straße ist das FBI selten zu sehen. Meistens steht es am Fenster, schaut hinaus – und in fremde Fenster hinein.
Nicht wirklich unauffällig, aber bereits ab sechs Uhr morgens.
Das FBI lüftet die Bettdecken, das FBI putzt die Fensterbank, schaut zufällig in unsere Küche, schüttelt den Staublappen aus, putzt die Fensterscheibe, schaut beiläufig die Straße rauf und runter, putzt nochmal die Fensterbank, schaut in unser Schlafzimmer, schüttelt nochmal das Staubtuch aus und verbringt so mehr oder weniger seinen Tag.

Wir sehen auch andere Nachbarn, die uns gegenüber wohnen. Nicht, dass wir neugierig wären, aber man kann die Augen nicht immer schließen. Wir beobachten unsere Nachbarn nicht; es ist uns völlig gleich, was sie tun, solange niemand Schaden nimmt. Im Grunde haben wir harmlose Nachbarn, wie die alte Dame mit dem überdimensionalen Fernseher, auf dem ständig ein Musikantenstadl läuft. Kein Problem, so lange sie das Fenster geschlossen lässt.
Unter ihr wohnt ein Ehepaar hinter vergilbten Gardinen. Manchmal schiebt sich ein Kopf mit grauen Haaren durch die Vorhänge, schaut kurz hinaus und verschwindet wieder. Die Vorhänge hätten Wäsche nötig. Die Haare auch, aber ich will mich nicht in Angelegenheiten anderer einmischen.
Den Mann sehe ich manchmal auf der Straße. Er hat einen Pferdekopf, geht vornüber gebeugt und schimpft vor sich hin. Einmal habe ich ihn mit seiner Frau gesehen. Da hat er mit ihr geschimpft. Manchmal hört man ihn dreckig durchs offene Fenster lachen oder über jemanden im Fernsehen schimpfen. Er hat das Fenster immer gekippt und im Sommer schaut er bis tief in die Nacht laut Fernsehen. Einmal habe ich mir vorgestellt, ich bringe ihn um. Statt dessen habe ich mein Schlafzimmerfenster geschlossen.
Im Haus neben dem FBI wohnt die rauchende Russin. Die rauchende Russin ist eine Türkin mit blondierten Haaren, die aussieht wie eine Russin. Sie raucht immer und von dieser Regel gibt es keine Ausnahme. Sie trägt enganliegende weiße Shirts, die sich über diverse Fettpölsterchen spannen und telefoniert beinahe so viel wie sie raucht. Manchmal sitzt sie mit Freundinnen auf dem Balkon oder hängt Wäsche auf. Aber immer steckt eine Zigarette zwischen ihren Fingern.

Wir nehmen das wahr und wir wissen, dass auch wir gesehen werden. Doch beobachtet werden wir durch das FBI.
Gestern morgen zum Beispiel. Ich saß beim Frühstück, als ich das FBI bemerkte. Es glotzte herüber und schaute nicht einmal weg, als ich ihm direkt in die Augen sah. Es hatte keinerlei Angst aufzufliegen, entlarvt zu werden.
Glaubt nicht, was Ihr in Filmen seht: Das FBI trägt keine schwarzen Anzüge, es ist nicht am gnadenlosen Blick und der brutalen Fratze zu erkennen. Das FBI trägt ondulierte Haare und spricht hessisch.
Als ich später einkaufen ging, kam mir das FBI entgegen. Die biedere Hausfrau von gegenüber. Jetzt, sagte ich mir, jetzt stelle ich sie zur Rede. Jetzt oder nie. Sie kam näher. Wackliger Gang, eine kleine weiße Altdamen-Handtasche quer über die Brust gehängt, in der linken Hand einen Einkaufssack. Sie war so nah, dass ich in ihre Augen schauen konnte. Ihre freie Hand griff in ihre Manteltasche. Seit 1934 ist – wie jeder weiß – dem FBI das Tragen von Schusswaffen erlaubt. Sie blinzelte kurz. Ich sah mich instinktiv nach Deckung um und trat einen Schritt beiseite, zwischen zwei parkende Autos. Sie holte aus ihrer Tasche eine schwarze Sonnenbrille, setzte sie auf und ging an mir vorrüber, als ob nichts gewesen wäre.
Ich atmete auf und beschloss, einen neuen Vorhang zu kaufen. Gegen das FBI ist man machtlos.

Donnerstag, 15. September 2011

Mein Rendezvous mit einem Neandertalerfräulein und andere Forschungsberichte

Parallelen schneiden sich im Unendlichen; Parallelwelten in der Innenstadt. So hatte der Verein Deutsche Sprache in der Innenstadt ein Transparent ausgestellt:
„Auf deutsch reden, auf Denglish pfeifen".
Gegenüber, in der Schlange am Nordsee-Straßenverkauf, sah ich einen jungen Mann auf dessem T-Shirt stand: „drink all day - party all night", ein Spruch, der auch durch Übersetzung ins Deutsche nichts von seiner Einfalt verlieren würde.
„Wer nichts zu sagen hat, sagt es auf Englisch“, so Walter Krämer vom Verein Deutsche Sprache und man kann ergänzen: Wer nichts versteht, sagt es auf Englisch.
Prächtig verstanden haben sich verschiedene Menschenarten vor der Babylonischen Sprachverwirrung. So wurde jetzt anhand von Gentests bewiesen, was selbst die trickreichsten Paparazzi der Lifestyle-, People- und Neandertal-Magazine bisher nur behaupten konnten: Der Homo sapiens hatte vor 35000 Jahren in Afrika was mit einem archaischen Urmenschen.
In Eurasien hat er sich mit dem Neandertaler und dem Denisova-Menschen gepaart - und diesen Kreuzungen verdanken wir einen Teil unserer Immunkräfte.
So weit so gut, aber wir stehen noch vor einem anderen Problem: Wo ist diese verdammte dunkle Materie? Achtzig Prozent der Materie im Weltall soll unsichtbar sein und noch immer suchen Forscher danach. Inzwischen wollen drei Forschergruppen diese sogenannte dunkle Materie gefunden haben. Das jedoch ist unter Physikern umstritten und so halte ich mich an die dunkle Schokolade, die ich in meinem Kühlschrank nachgewiesen habe. Schokolade macht glücklich und damit sind wir bei einem Problem, dass wieder mit Sprachverwirrung zu tun hat:
Was bezeichnen wir als Glück?
In der Frankfurter Rundschau las ich kürzlich „Mit etwas Glück können FR-Leser Jedward vor ihrem Konzert in Frankfurt persönlich treffen“.
Jedward, das sind John und Edward Grimes, zwei singende Frisuren, die, wenn sie nicht singen, reden und dabei rumzappeln, was sie allerdings auch beim Singen machen. Das nennen sie dann Performance. Wir nennen es Spätpubertäres Hyperaktivitätssyndrom. Wem das Glück droht, die beiden persönlich zu treffen, dem kann man nur Pech wünschen.

Im Lexikon wird Glück als „günstige Fügung“ bezeichnet.
Sollte mich die Fügung heute Nacht auf ein Neandertalweibchen treffen lassen, frage ich sie vielleicht: „Hallo hübsches Fräulein, Party all night?“
Und dann wird sich ja zeigen, ob man mit coolen Sprüchen zur unbekannten Materie vordringen kann.

Dienstag, 6. September 2011

So denke ich, dass sie denkt...

Geschichten des täglichen Lebens

Natürlich ist es schwer, mit Frauen zu kommunizieren. Man weiß nie, was sie wirklich denken.

Bei der Dame meines Herzens und mir fängt es zum Beispiel am Frühstückstisch an.

Gestern morgen, nachdem ich zu Ende gegessen hatte, entfuhr mir ein unbedarftes:
„So“.
Sie sah mich an.
„Und was?“
„Nichts. Was denn?“
„Nach ‚so’ muss immer eine Aktion folgen“, erklärte sie.
Mir war das neu.
„Du sagst oft ‚so’", warf ich ein. „Von dir habe ich das übernommen.“
„Ja, und wenn ich es sage, dann mach ich auch was. Zum Beispiel den Tisch abräumen.“

So werden Regeln aufgestellt.

Heute morgen trank sie ihren Kaffee aus, stellte die Tasse mit einem Knall auf den Tisch und sagte:
„So!“
Da wusste ich, jetzt würde sie das Frühstücksgeschirr abräumen. Doch es geschah nichts, seelenruhig las sie weiter in der Zeitung.
„Nach ‚so’ muss immer eine Handlung folgen“, sagte ich.
„Machst du ja auch nicht“, erwiderte sie beinahe schnippisch.

Inkonsequenzen bin ich selbstverständlich gewohnt, aber ich hätte gerne endlich den Frankfurt-Teil der Zeitung gelesen, der ja wahnsinnig spannend sein musste, so wie sie sich darüber beugte.

„Nach ‚so’ muss man die Zeitung tauschen. Neue Regel“, versuchte ich es, aber sie ging nicht darauf ein.

Also stand Ich auf und räumte den Tisch ab. Als ich fertig war, hatte sie die Zeitung ausgelesen.
"So, dann kann ich ja."
Ich schenkte mir einen zweiten Kaffee ein, und stellte fest, dass überhaupt nichts Interessantes im Frankfurt-Teil stand. Ich blätterte noch einmal - aber nichts.
Kurz überlegte ich, zu fragen, welchen Artikel sie auswendig gelernt hat - aber vielleicht ist das Leben schöner, wenn man manchem Rätsel sein Geheimnis lässt.

Für die Dame meines Herzens hat sich das alles ganz anders abgespielt.
Als sie gestern in ihre Gedanken versunken am Frühstückstisch saß und überlegte, ob sie den Tisch abräumen sollte oder doch noch ein Toast? Und sie muss vor neun Uhr noch eine Kollegin anrufen und wenn die nicht da ist, was soll sie ihr auf den Anrufbeantworter sprechen, oder doch lieber eine Mail schreiben? Und (ich muss dies so ausführlich wieder geben, weil die Dame meines Herzens so umständlich denkt) zwei drei Berichte in der Zeitung sind auch noch zu lesen, aber wann liest die Kollegin die Mail und überhaupt, warum kaut der Kerl neben ihr eigentlich so selbstzufrieden sein Nutellatoast, wenn die Welt gerade im Chaos versinkt - und in diesem Augenblick spülte ich den letzten Bissen mit einem Schluck Kaffee hinunter und sagte:
„So“.
„Was so?“
„Nichts, was denn?“
Diese Antwort half ihr überhaupt nicht weiter bei ihren dreizehneinhalb Problemen und wenn ich schon so großspurig ‚so’ sagte (als ob ich mich in diesem Augenblick anschickte, Rom neu zu erbauen), könnte ich zumindest den Tisch abräumen!

Heute morgen war das längst vergessen. Rom wurde gestern nicht gebaut, aber der Käse in den Kühlschrank gestellt. Und irgendjemand hatte ihn sogar pünktlich zum Frühstück wieder heraus geholt. Der Kaffee war heiß und stark.
„So!“
Sie stellte die Tasse auf den Tisch. Jetzt erst mal in Ruhe die Zeitung lesen.
„Nach ‚so’ muss man die Zeitung tauschen“, sagte ich.

Aber doch nicht bei diesem ‚so’! Denkt sie sich, während sie weiter auf diesen unwichtigen Zeitungsartikel starrt. Jede Frau weiß, dass es unterschiedliche ‚sos’ gibt. Manche verlangen Aktion, manche sagt man einfach nur so, ohne Grund, weil man irgendwas sagen muss. Frauen müssen oft irgendwas sagen. Ohne Grund.
Dass gerade ihr Freund das nicht versteht! Typisch Mann. Nur immer schwarz-weiß, als ob das Leben so-oder-so wäre und nicht auch mal ganz anders.

Das denkt sie selbstverständlich nicht wirklich. Ich weiß nicht, was sie denkt. Wenn ich es wüsste, hätte ich niemals so naiv einfach nur "so" gesagt.

Freitag, 2. September 2011

Bürgerliche Verschrecktheit und ein Geschenk für den Weltfrieden

Ich glaube, es hackt. In Hamburg ist das Trinken alkoholischer Getränke im öffentlichen Nahverkehr verboten. Wieso, weshalb, warum?
In Frankfurt wird über ein Verbot noch diskutiert.

„Alkohol trinkende Personen verbreiten jedoch ein Gefühl der Unsicherheit, das andere Fahrgäste verschreckt“, meint Frankfurts CDU Fraktionsvorsitzender Helmut Heuser. Der arme, verschreckte Mann, vielleicht sollte man ihm helfen.

Passiver wie auch aktiver Umgang mit Alkohol sind erlernbar.

Erstens: Ängste ablegen. Ein wenig Alkohol tut weniger weh als eine Spritze beim Doktor.
Zweitens: Vorurteile abbauen. Alkohol lässt nicht zwangsläufig jeden Menschen zum Rowdy, Tunichtgut und Randalierer werden. Manche werden Propheten, Dichter oder schlafen einfach ein (nicht zu verwechseln mit sogenannten „Schläfern“: Die machens auch ohne Alkohol).
Drittens: Positive Aspekte annehmen. Alkohol ist das Kulturgut unserer westlichen Zivilisation. Er fördert Festlichkeit, Gemeinsamkeit und Lockerheit. Er erweckt spirituelle Erfahrungen jenseits von Katholizismus oder Räucherstäbchen – und (als Bonus für die CDU) ist zugleich vollständig integriert in christlicher Religion.
Viertens: Die Kirche im Dorf lassen.
Fünftens: Wie soll man ein Spiel der Eintracht ertragen ohne davor und danach in der Bahn ein Bier zu trinken?
Sechstens: Alleine oder mit mehreren im Auto trinken ist ja auch nicht besser.
Siebtens: Haben Sie mal überlegt, wieviele Menschen aggressiv werden, wenn sie KEIN Alkohol mehr in der S-Bahn trinken dürfen?
Achtens: Wer, bitte sehr, fühlt sich warum verschreckt durch Alkohol trinkende Personen? Aggressive Personen im öffentlichen Nahverkehr sind aggressiv ganz unabhängig davon, ob sie in diesem Augenblick gerade eine offene Flasche in der Hand halten oder nicht.

Fazit: Alkohol trinkende Menschen im öffentlichen Personennahverkehr sollten nicht mehr verschrecken als zum Beispiel Kinder, die in Hofeingängen Flohmarktstände aufgebaut haben.
So ein Kind sprang mich kürzlich an, als ich die Waldschmidtstraße entlang ging. „Wollen Sie was kaufen?“ Quakte von links eine Stimme und zwei Mädchen grinsten hinter einem Tisch voller selbst gebasteltem Allerlei.
Sehr beeindruckt hat mich eine Panflöte aus Strohhalmen, aber gekauft habe ich schließlich ein Türschild mit der Aufschrift: „Komm doch BITTE herein“ – oben eine aufgemalte Sonne, unten ein lächelndes Gesicht. Und seitdem höre ich die Dame meines Herzens kichern, bevor sie ins Zimmer tritt.
Gerne hätte ich die beiden Mädchen gefragt, ob sie auch Luftgitarren verkaufen, denn so eine wollte ich schon immer mal verschenken. Letzten Freitag wurde eine deutsche Studentin Weltmeisterin an der Luftgitarre. Das Motto dieser Weltmeisterschaft im finnischen Oulu lautete „spiel Gitarre für den Weltfrieden“, so könnte ich mit meinem Geschenk Gutes tun und, falls es nicht gefällt, wäre es einfach und umweltschonend zu entsorgen. Das Üben an der Luftgitarre macht zudem keinen Lärm und darüber werden sich am meisten die Kohlmeisen freuen.

Wer das wunderbare Buch „Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen“ von Jörg Metes und Tex Rubinowitz kennt, weiß, von was Kohlmeisen träumen – um so trauriger, dass es immer öfters beim Träumen bleibt. Um im zunehmenden Lärm der Städte von ihren Weibchen gehört zu werden, müssen männliche Kohlmeisen in höheren Tonlagen singen. Das hohe Gezwitscher klingt überhaupt nicht sexy und immer mehr Weibchen brennen mit einem Zugvogel oder einer Blaumeise durch.

Was bleibt den männlichen Kohlmeisen dann noch außer Alkohol?

Vielleicht ein Ausflug mit der S-Bahn in den Taunus. Bis es einem auffällt: Singende Meisen verbreiten ein Gefühl der Unsicherheit, das andere Fahrgäste verschreckt - und man kann mit Kanonen nicht nur auf Spatzen schießen.
Dann ist auch damit Schluss.

Mittwoch, 31. August 2011

Aloha from Frankfurt

Kennen Sie auch die Momente, in denen die Welt auf dem Kopf zu stehen scheint? Und Sie vielleicht das Gefühl haben, die Erde habe sich gerade ohne Sie gedreht? Wenn Sie sich nicht mehr auskennen? Wenn Sie zum Beispiel nicht wissen, was Sie als nächstes bestellen sollen?

Ich saß kürzlich an einem der wenigen heißen Tage an einem der Tische vor einem Café auf der Berger Straße. Ich saß im Schatten, entspannt, im Einklang mit den Dingen und beobachtete drei junge Menschen auf der anderen Straßenseite, die irgendwas mit Medien machten.
Ein Kameramann, einer, der dabei stand und dessen Funktion sich mir nicht erschloss, sowie eine Frau mit Mikrofon, die Vorrübergehende interviewen wollte.
Die meisten der Angesprochenen winkten ab und gingen weiter.

Zwischendurch las ich. Im Schatten war es angenehm und ich dachte mir, wenn ich Teil des Filmteams wäre, würde ich ein schattiges Plätzchen suchen.
Sie standen in der prallen Sonne und ich stellte mir vor, dass sie stark schwitzen.
Macht ja auch keinen guten Eindruck auf potentielle Interviewpartner, dachte ich mir. Vielleicht riecht es auch schon.
Warum sie gerade an dieser Ecke standen und die Kamera in Richtung Höhenstraße hielten, weiß ich nicht - aus meiner Sicht gab es keinen zwingenden Grund dafür, es sei denn, der Laden an der Ecke musste unbedingt ins Bild.
Vielleicht wäre einer von den dreien auch gerne irgendwoanders hin, konnte sich aber nicht entscheiden. Vielleicht litten sie an Abulie, der krankhaften Unfähigkeit, sich zu entscheiden. Gehen wir dorthin? Gehen wir dahin? Und blieben einfach stehen, zergehend in der Sonne und kaum einer der Vorrübergehenden konnte sich entschließen, ebenfalls stehen zu bleiben um später sein glühendes Gesicht im Fernsehen zu sehen.

Irgendwann hatten die drei genug und gingen ein paar Meter die Straße hinauf. Der Kameramann schwenkte sein Gerät im 360° Winkel und filmte somit auch die ihm gegenüberliegende Straßenseite mit dem Café, wo ich saß.
Schnell senkte ich meinen Kopf in Lesestellung und gab mir einen konzentrierten Gesichtsausdruck. Dann waren sie verschwunden und ich konnte mich wieder ernsthaft meinem Buch widmen.

Da fiel mir auf, dass mein Cappuccino ausgetrunken war. Und damit fing mein Problem an.
Was trinkt man um 16 Uhr im Straßencafé, wenn man kein kaffeehaltiges Getränk mehr möchte? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Diese Frage hatte sich mir noch nie gestellt. Zumindest konnte ich mich in diesem Augenblick nicht an eine möglicherweise schon einmal gegebene Antwort darauf erinnern.

Mein pragmatisches Gehirn dachte sofort an Bier.
Mein Gedächtnis erinnerte sich an Apfelsaftschorle.
Ich dachte, es muss doch noch was anderes geben und ließ mir die Karte bringen.

Und dann kam ich mir alt vor. Bionade kannte ich ja noch. Dass Rhabarbersaft hip ist, weiß ich auch irgendwoher. Anfreunden kann ich mich damit dennoch nicht.
Aber was ist Aloha? Ich dachte an Elvis im Hawaii Hemd und überwand mich, die Bedienung danach zu fragen - auch auf die Gefahr hin, angesehen zu werden wie Alpöhi auf Stadtbesuch.

„Sowas wie Bionade, nur nicht so süß.“

Ich war ein bisschen aufgeregt. Welche Welt sich mir hier erschloss.
Aloha.
Das ist Exotik, das ist Sonne, Hawaii, Hula-Hula Mädchen, Blumen im Haar und jetzt vielleicht noch ein erfrischendes Getränk!
Es gab drei Geschmacksrichtungen.

„Dann nehme ich so ein Aloha Edelflower.“

„Elderflower, Holunderblüte“, korrigierte die Bedienung und tänzelte hinfort.

Die Sonnenstrahlen hatten inzwischen meinen Tisch erreicht und ich träumte mich in eine Bar am Aloha Friday, dem Casual Friday auf Hawaii, an dem die Angestellten statt strenger Geschätskleidung ein Hawaiihemd tragen dürfen. Ein Team von Schweiss TV filmt Heidi beim Schwitzen und neben mir sitzt Elvis und spielt Ukulele. Er trägt ein rotes Hemd mit Mustern aus weißen Palmenblättern. Um 17Uhr zieht er eine Knarre aus dem Bund seiner Hose, schießt in den Monitor des Kameramannes, wischt die Rhabarbersaftgläser vom Tresen und piepst mit seltsam hoher Stimme:

"It's Gin o'Clock. Aloha to the spirits!"

Dann plötzlich stand die Bedienung vor mir und stellte eine Flasche mit durchscheinender Flüssigkeit und ein Glas auf den Tisch.
Beim Einschenken hielt ich das Glas schräg. So, wie ich es vom Bier gewohnt bin.
Ein bisschen Würde muss schließlich sein.

Donnerstag, 25. August 2011

„Wir sind glücklich, weil wir lachen" (M. Kataria)

Lachen. Wir sollten viel mehr lachen.
Kürzlich habe ich eine Anzeige für Kurse in Lachyoga gesehen und schon ging es mir viel besser. Ich habe mir dazu ein Filmchen auf youtube angeschaut und unverzüglich kringelte ich mich vor Lachen.

Das Lachen verging mir, als ich ein paar Zeitungsseiten weiter von gescheiterten Sternen las, die lediglich Zimmertemperatur erreichen und kein Licht aussenden können.
Wussten Sie, dass Sterne scheitern können? Haben Sie eine Vorstellung davon, wieviel Druck auf einem kleinen Stern lastet?
Klar, die großen Sterne zünden eine Kernfusion nach der anderen, aber was ist mit den Kleinen, die es nicht schaffen? Was fühlt so ein gescheiterter Stern? Allein in seiner Finsternis, kalt ist ihm und die anderen Sterne zeigen mit allen Zacken auf ihn, und ihr Strahlen lässt seine Existenz noch dunkler wirken.
Wer gibt ihm Trost? Wer bringt ihn zum Lachen? Vielleicht das Fernsehprogramm? Aber nein, was lese ich da? Fernsehen verkürzt die Lebensdauer.
Eine Stunde Fernsehen kostest 22 Minuten Lebenszeit. Wer dazu noch raucht, trinkt und Chips isst, braucht erst gar nicht mehr aufzustehen.
Bewegung würde Abhilfe schaffen, aber jetzt sagen Sie mal einem Stern, er solle sich bewegen! Ist doch kein Planet. Dann kleben unsere Problemsterne lieber schmollend im Himmelseck und träumen davon, entdeckt und zum Star zu werden. Genau das ist jetzt geschehen. Die Wissenschaftler sind begeistert und auch wenn die Entfernung höchstens eine Wochenendbeziehung zulässt, könnte das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden.

So absurd es klingt, eine Freundschaft verbindet auch den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch mit dem Dalai Lama. Letzerer war kürzlich mal wieder im Lande.
Er könne sich vorstellen, als Honigbiene wiedergeboren zu werden, scherzte Seine Heiligkeit.
Auf dem dazugehörigen Bild trug er wie immer einen gelb-güldenen Überwurf und lächelte schelmisch – und sah aus wie eine Parallelinkarnation von Willi aus Biene Maja.

Überhaupt, was das Äußere betrifft, hat es der Dalai Lama einfach. Von einem Mann in seiner Position erwartet man keine Extravaganzen sondern ein traditionelles Kostüm und einen bescheidenen Haarschnitt. Die erlauchten Füße steckt er dazu gerne in Zehentreter, sogenannte Flipflops. Bescheiden ist der Mann, bescheiden wie der Sommer 2011, der allerdings die Grenzen des modisch Möglichen neu definiert.

Die Sommernacht 2011 bewegt sich zwischen Flipflops und Wollmütze. In der Frankfurter Bahnhofsviertelnacht habe ich gesehen, dass beides an einem Abend möglich ist, aber vielleicht unterlag ich auch nur einer Halluzination des Welle-Teilchen-Dualismus, der besagt, dass jeder Mensch zugleich einen Sandalen- und einen Wollmützen-Charakter hat, aber je nach Körperausdünstung nur der eine oder der andere in Erscheinung tritt.
Immerhin, die Menschen nehmen den Sommer langsam mit Humor. Gestern sagte einer im Laden: „Des is die Rache vom Kachelmann“. Und lachte.
Ha, ich gehe jetzt zum Lachyoga und wunder mich über gar nichts mehr.

Dienstag, 23. August 2011

Ein Fanatiker in der Stadtbücherei

Erst dachte ich, es mit einem Verschrobenen zu tun zu haben, dann, mit einem Verrückten, einem Wahnsinnigen. Inzwischen bin ich mir sicher: Es ist ein Fanatiker. Ein wahnsinniger Fanatiker.

Er verfolgt mich, vielleicht verfolge ich auch ihn. Die Grenzen verwischen. Ich weiß nicht, wer er ist, wo er ist, aber wohin ich komme, da war auch er.

Vielleicht ist es auch eine Frau. Ich weiß wenig über diese Person, aber ein Mensch muss es sein. Sie liest und sie nimmt hin und wieder einen Bleistift zur Hand um etwas durchzustreichen: englische Lehnwörter.

Egal, welches Buch ich mir in der Stadtbücherei ausleihe, der Fanatiker war schon da und hat durchgestrichen. Kleinlich und ohne Sinn und Verstand. Ein paar Beispiele aus dem Buch von Juan Moreno, Von mir aus: Wahre Geschichten. Da liest man von der „Ostband“ „City“. Sowohl „City“ als auch „-band“ wurden durchgestrichen. Ebenso das „-song“ von „Steuersong“ oder die Worte „clever“ und „surfte“ usw. usf. Er lässt weder „ok“ noch „durchgecheckt“ stehen, penibel sind alle irgendwie aus dem englischen kommenden Begriffe durchgestrichen.

Und es betrifft nicht nur ein Buch. Nein! Jedes zweite Buch, das ich in die Hand bekomme, wurde von diesem Wahnsinnigen bearbeitet. Unterschiedlichste Werke, bekannter und weniger bekannter Autoren. Was ist das für ein Mensch?
Und warum scheint er die gleichen Bücher zu lesen wie ich? Das macht mir Angst. Gespaltene Persönlichkeit und so. Man hört so viel... weiß ich, mit was ich die Nächte, wenn ich angeblich schlafe, zubringe?
Auch mich ärgern manche Anglizismen. Auf „das macht Sinn“ und „am Ende des Tages“ verzichte ich genau so gerne wie auf das Apostroph bei „Peter’s“. Aber deswegen jedem kleinen Lehnwort den Garaus machen? Skrupellos in Büchern anderer Leute rumkritzeln, zu streichen und zu verbessern? No, not me.

Das muss ein wirklicher Fanatiker sein.
Der Begriff Fanatiker kommt von lateinisch fanaticus. Das bedeutet göttlich inspiriert zu sein, in rasender Begeisterung, von der Gottheit ergriffen. Nun ist mit Göttern viel passiert, seit die Römer nicht mehr Latein reden und schon manch einer hat für göttliches Gebot gehalten, was nur leerer Schall oder schlicht Unsinn war. Der verrückte Bruder des Unsinns ist bekanntlich der Wahnsinn, mit dessem Wortteil „Wahn“ irrige Vorstellungen bis zwanghafte Einbildungen benannt werden. Was für eine arme Sau muss das sein, der die Welt verbessern will indem er Wörter in Büchern einer öffentlichen Bibliothek durchstreicht? Ein Fanatiker eben.
Doch er macht Fehler. Bei „be happy“ hat er das „be“ übersehen, bei „swimmingpool“ das „swimming“ – aber, was soll ich sagen? Shit happens, nobody's perfect und Idiot ist ja auch ein Wort aus einer anderen Sprache.

Donnerstag, 18. August 2011

Sommer, lebende Fossilien und ewige Idioten.

Hier wieder die Wochenschau mit großen und kleinen Nachrichten der letzten Tage.

Gestern, in unserem trauten Heim: Die Dame meines Herzens schneuzte sich laut trompetend die Nase und ich befürchtete, gleich stünden drei kleine Elefanten unter unserem Fenster, Rüssel und Augen nach oben gerichtet und riefen aufgeregt: „Mama?“

Überhaupt war einiges mit Tieren die letzten Tage.

Zum Beispiel lebende Fossile. Ein aalartiges Wesen hat sich 200 Millionen Jahre in einer Höhle in der Südsee versteckt. Jetzt wurde es entdeckt und mit dem schönen Namen Protoanguilla palau bedacht. Man fragt sich, wer und was kriecht noch alles von irgendwoher in die Öffentlichkeit? Mehr dazu später unter dem Stichwort "lebende Idioten".

In Frankfurt vermutet man lebende Fossile vielleicht im „Mampf“ im Sandweg, wo der Wirt die Preise in D-Mark ausruft und in Euro abkassiert.
Aber das ist nur so ein Zwischengedanke.

Als Fossil könnte man auch Günter Grass bezeichnen. Der hat sich allerdings nie versteckt und kann mitunter auf die Nerven gehen.
Doch letzte Woche habe ich ihn mal richtig lieb gewonnen und war froh, dass wir ihn haben, in unserem gar nicht so trauten Deutschland. Und das hat mit den lebenden Idioten zu tun:

In einem Beitrag bei 3Sat Kulturzeit wurde gezeigt, wie Mitglieder der Neuen Rechten eine Lesung von Grass mit Plakaten und Zwischenrufen stören.

Götz Kubitschek, Großagitator der Neuen Rechten, sagt dazu:
"Wenn wir da anders drauf gewesen wären, dann wären wir auf die Bühne gegangen ins Scheinwerferlicht und hätten ihm das Mikrofon abgenommen und gesagt: 'Opa setz' dich hin, du bist jetzt mal ruhig. Jetzt geht es um etwas ganz anderes hier.' Oder wir hätten seinen Wein ausgetrunken, der da oben auf der Bühne stand. Oder keine Ahnung, irgendwas richtig subversives (Quelle: 3sat Kulturzeit)

Erstens ist es nicht subversiv sondern kindisch, Günther Grass den Wein wegzutrinken, und zweitens kann man denn nicht anders subversiv sein als mit rechter Scheiße?

Sie nennen sich selber Rechtsintellektuelle und verbrämen ihre Ausländerfeindlichkeit und ihr Nazi-Weltbild mit pseudo-vernünftiger Sprechweise.

Ihre Kinder heißen Brunhilde, Undine oder Ingeborg und darüber müssen sie nicht mal lachen. Unsympathisches Volk, diese Rechtsnationalen. Pfui, pfui.

Den sehenswerten Beitrag von Kulturzeit findet man hier

Am Ende noch zu erfreulicheren Dingen:
Der Sommer ist da. Es ist warm, sogar heiß, Bienen und Fliegen besuchen mich in unserer Küche und draußen tragen die Menschen schweinchenrosa Poloshirts. Der verwegene Mann auch gerne mit hochgestelltem Kragen.

Wer jetzt Augen und Ohren und alle Sinne beisammen hat, kann erleben, wie schön eine vielfältige bunte Welt ist - und wie vollkommen überflüssig rechte Gesinnungsgenossen sind.
Herzlich willkommen hingegen sind drei kleine Elefanten. Wer sie trifft, schicke sie bitte zu der Dame meines Herzens. Die kann nämlich Elefantensprache.

Montag, 15. August 2011

Soviel Zeit muss sein

Wo immer man auf andere Menschen trifft, gibt es Grund, sich zu ärgern. Das klingt etwas übertrieben. Wer schon einmal hundsalleine in der Mitte einer Wüste irrte, wird sich gefreut haben über den Anblick eines plötzlich auftauchenden Menschen.
Zumindest bis er ihm gegenüber stand.
Aber das sind müßige Gedanken in einer Welt voller Supermärkte, Bahnsteige und Straßenfeste.
Wer will behaupten, dass er noch nie einen verstohlenen Kampf um den Platz an der Supermarktkasse ausgetragen hat oder am Bahnsteig sich gestört sah durch gepäckbeladene Unholde mit fahrlässigem Körpergefühl?
Manche gehen zu Straßenfesten nur, um hinterher zu erzählen, wie voll es war und dass es immer schlimmer wird. Voll schlimm.

Ich gehe oft und gerne in Cafés um zu lesen.

Dabei bin sich sehr geräuschempfindlich. Wenn sich jemand am Nachbartisch den Kopf kratzt, schrecke ich ob des dabei entstehenden Geräusches hoch und schaue verärgert hinüber.
Auch sollte man sich in meiner Gegenwart weder allzu laut unterhalten noch flüstern – bitte sehr, das Zischeln enerviert ganz gewaltig.

Eine Melange aus unaufgeregten, leicht melodiösen Stimmen in mittleren Tonlagen und Café-üblichen Klängen, ein umfassendes Hintergrundrauschen, aus welchem einzelne Bedeutungen nicht mehr zu hören sind, wäre meiner Konzentration sehr zuträglich.

Leider ist mir das Glück einer solchen Atmosphäre selten beschieden.

Statt dessen:

„Mit mir kann man verünftig reden“

Sagt zum wiederholten Male ein höchstens 25 jähriger Schnösel mit pubertärer Stimme.
Ich versuche, zu ignorieren und mich in mein Buch zu versenken. Allein, es mag mir nicht gelingen. Zu aufdringlich ist die Stimme des Schnösels, zu laut und zu penetrant der Tonfall.
So höre ich, dass er kein Problem damit habe – und jetzt will ich auch wissen, mit was er verdammt nochmal kein Problem hat. Denn Schnösel klingt nach einer ganzen Freud'schen Couchgarnitur voller Probleme.

„Da steh’ ich drüber“

Es geht um Streit im Büro. Das kennen wir alle: unangenehme Kollegen, vertrackte Situationen, Meinungsverschiedenheiten, Konkurrenz, Interessenkonflikte und was es sonst noch so alles gibt.
Aber, Originalton Schnösel:

„Da steh’ ich drüber“ (er wiederholt seine Lieblingsphrasen ungeniert)

Das sei er gewohnt. In der Schule wurde er schon immer gehänselt.

Ich klappe mein Buch endgültig zu und schaue hinüber. Er trägt ein dezent gestreiftes Hemd, dass nach Karriereplanung ausschaut und hat scheitel-gegeltes kurzes schwarzes Haar. Vor ihm ein gewaltiges Stück Kuchen und ihm gegenüber ein blasser junger Mann mit Dreitagebart und krummen Rücken.

Ich ahne, dass der Kuchen nicht gegessen sein wird, bevor nicht die ganze Lebensgeschichte erzählt ist. Und der Widerstand seines Gesprächspartners scheint längst gebrochen zu sein.

„Ich hab ein fotografisches Gedächtnis“

Aha, denke ich mir und erfahre, dass er in der Schule an einem Abend gelernt hat, wofür andere mindestens drei Tage brauchten.

„Aha“, sagt jetzt sein Gegenüber, „hast du Abitur?“

„Realschule“, sagt Schnösel, aber „fotografisches Gedächtnis“ – schon immer, deswegen konnten ihn die anderen nicht leiden.

Aber da stehe er drüber und wenn der eine Kollege jetzt ein Problem habe, solle er ihn persönlich ansprechen. Schließlich könne man mit ihm vernünftig reden.

Bevor ich darüber sinnieren kann, was er unter vernünftig versteht und ob er auch dabei Monologe halten würde, wendet er plötzlich den Kopf und sieht mich an.
Wahrscheinlich habe ich geglotzt. Einmal sah ich ein böse schauendes Gesicht mit zusammengezogenen Augenbrauen in der S-Bahn und erschrak, als mir klar wurde, dass dies mein Spiegelbild im Plexiglas ist.
Ich nehme an, auch jetzt zeigte mein Gesichtsausdruck Missfallen und, wenn Gott will, eine Spur Verachtung.

Schnösel schiebt sich ein Stück Kuchen in den Mund und während er kaut, schaut er noch einmal rüber.
Lese ich in seinen Augen Unsicherheit? Verachtung? Interesse?
Nein, gar nichts entdecke ich da. Die Augen blicken so selbstbezogen wie seine Phrasen tönen.
Vielleicht dachte er, was ist denn das für ein Depp, hockt im Café, hat ein Buch dabei und liest nicht – oder: kommt alleine mit Buch ins Café, so ein komischer Kauz – oder einfach nur: Was glotzt der mich so an?

Aber wahrscheinlich dachte er einfach an sich und seine Welt und was es dazu noch alles zu erzählen gäbe.

Er wendet sich dem Kerl mit dem krummen Rücken zu und nimmt seinen monotonen Monolog wieder auf.

Wenn die Kollegen das so machen würden, wie er es gesagt hat, ginge es viel schneller. Aber die seien neidisch und redeten hintenrum über ihn.

Mir vergeht das Verlangen, ihm ordentlich unvernünftig das Gesicht in den Kuchen zu drücken und dabei „Schnauze!“ zu brüllen –

Ich zahle und räume das Feld, und falls ich ihn jemals im Supermarkt sehe, werde ich nicht versuchen, an der Kasse schneller zu sein, sondern so lange meinen Wagen durch den Laden lenken, bis ich sicher bin, er ist weg.

Soviel Zeit muss sein.

Freitag, 12. August 2011

Stresstest mit der Bunten am Pfandautomaten vor der Herrentoilette

Und hier wieder die Wochenschau. Diesmal mit Auffälligkeiten der letzten drei Wochen.

Esl lässt sich beobachten, dass ein gewaltiges Misstrauen gegenüber dem Pfandflaschen-Automaten in unserem Nahkauf um die Ecke besteht.
Man schiebt eine Flasche in eine runde Öffnung, der Automat dreht die Flasche um ihre Achse und scannt dabei ihren Strichcode, dann zieht er sie in die Tiefen seiner Eingeweide. Es macht „zisch“ und ein grünes Lichtchen lädt zum Einlegen einer neuen Flasche ein.
Simpel, aber der Teufel ist mehr als nur ein Eichhörnchen und wer will schon von einem Pfandautomaten betrogen werden?

Das Misstrauen zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten.
Banker, Penner, Hausfrauen; Deutsche, Türken, Schwarze, Weiße und auch Gelbe (um nur ein paar zu nennen) schauen skeptisch dem verschwundenen Pfandträger hinterher. Sie warten, wie eine Mutter nach einem Löffel Brei wartet bis das Baby geschluckt hat und bereit für die weitere Fütterung ist, dann erst nehmen sie die nächste Flasche in die Hand und werfen sie mit schneller Bewegung in die Öffnung.

Sie argwöhnen, dass der Automat eine Flasche zwar hinunter schlingen, aber nicht mitzählen könnte.
Doch das ist ausgeschlossen, denn der Automat ist, wie gesagt, simpel: Erst kommt das Zählen, dann das Fressen. Was er nicht zählen kann, spuckt er wieder aus. Trotzdem: Man weiß ja nie.

Man weiß ja auch nicht, was bei "Bunte" los ist.
Kürzlich las ich, die Bunte entlasse ihren Politik Chef.

Politik Chef der Bunten?
Brauchen sie nicht mehr, war meine spontane Annahme. Kann man streichen.

Aber nein, so schwarz-weiß ist es nicht in der bunten Welt investigativer People-Magazine. Wegen unlauterer Recherchemethoden hat das Blatt den Chef der Politik und eine weitere Redakteurin entlassen.
Unlautere Methoden? Kann man sich gar nicht vorstellen bei der Bunten.

Vorstellen kann ich mir hingegen, dass der Begriff "Stresstest" auf weitere Lebensbereiche ausgedehnt wird. Stresstests an der Käsetheke, in Beziehungen und an Pfandautomaten.
Ich sehe schon Sigmar Gabriel im nächsten Wahlkampf, wie er der Kanzlerin zuruft: "Sie haben vier Jahre lang den Stresstest nicht bestanden!"
Und Frau Merkel antwortet: "Und Sie kommen nie über die Käsetheke hinaus!"

Und somit wäre ich vorerst mit meinen lauteren und stressfreien Recherchen am Ende. Nur so viel sei noch gesagt:
Die Herrentoilette der Stadteilbibliothek Sachsenhausen soll bitte von den Nutzerinnen in einem sauberen Zustand hinterlassen werden.
Ich habe nicht überprüft, ob an der Damentoilette ein ähnlicher Zettel hängt, dass diese von den Nutzern sauber zu halten sei, kann dies aber auf Wunsch nachholen.

Viele Grüße aus Frankfurt und bis zur nächsten Woche. Ihre meinblogwalter Wochenschau.

Dienstag, 2. August 2011

simplify your coffee

Gestern kam ein Paket, darinnen eine mechanische Kaffeemühle; darüber schwebend die strenge Frage, wie fein die Bohnen gemahlen werden sollen um den bestaromatischen Kaffee zu erhalten.

Das Internet weiß wie immer bescheid und hat auf jedes Menschheitsrätsel tausendundeine Antwort. Ich begann mit der Frage, welcher Mahlgrad wohl der für Filterkaffee angemessenste wäre und endete in Foren voller Elend, Schicksal, Ratlosigkeit und Hoffnung.

In große Not geraten war ein junger Mann, dem ein einwöchiger Urlaub in einem fremden Haus bevorstand, denn in diesem Hause (verflucht sei es) befinde sich lediglich eine Filtermaschine und der junge Mann wisse nicht, wie er den Kaffee mahlen solle, denn – oh Schicksal! – er könne seine Mühle nicht mitnehmen um Testreihen vor Ort durch zu führen, sondern müsse zu Hause 250 Gramm vormahlen.

Wer jetzt meint, die Antwort könne so schwer nicht sein, der möge Nescafé trinken und in Einfalt leben.
Es müssen Mühlenart, Filterbeschaffenheit, Wasserhärte, Wassertemperatur, Mondphase, Luftdruck, Hüfte-Taille-Quotient und Wetterberericht in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden um eine einigermaßen verlässliche Auskunft zu geben. Doch auch dann gibt es keine Garantie, dass der Kaffee schmeckt wie ein Kaffee schmecken muss.

Ich beschloss, einen Selbstversuch zu wagen und bereitete die erste Tasse mit einem mittleren Mahlgrad. Der Kaffee war voller Aroma und – so profan es klingen mag – schmeckte gut. Ich hätte zufrieden sein können, doch wenn man sich auf die Suche nach der Wahrheit macht, darf man nicht beim ersten Schluck Kaffee sitzen bleiben.
Für die nächsten vier Tassen stellte ich den Mahlgrad jeweils ein wenig feiner ein. Meine Euphorie stieg mit jedem Schluck, auch wenn ich festellen musste, dass der Kaffee nicht besser wurde. Ich begann ihn wieder gröber zu mahlen und mein Herz sprang im Kreis wie ein verliebter Bonobo. Ich war auf der richtigen Spur.
Wahrscheinlich vor Aufregung (mein Gehirn und meine Hände zitterten scheinbar unkontrolliert) hatte ich vergessen, sofort einen Mahlgrad jenseits meiner ersten Tasse einzustellen, und führte die Reihe, die ich gerade von mittlerem zum feinsten gemacht hatte, in umgekehrter Abfolge noch einmal durch.

Kann ja nicht schaden, sollte man meinen.

Inzwischen geht mir das Mahlen immer leichter von der Hand. Hatte ich die Kurbel anfangs bedächtig im Uhrzeigersinn gedreht, liege ich jetzt bei 8,3 Umdrehungen in der Sekunde. In der so gewonnenen Zeit renne ich durch die Wohnung und hämmere meinen Kopf gegen die hintere Wohnzimmerwand. Das beruhigt mich irgendwie.
Vielleicht bin ich ein wenig nervös. Ich spüre, dass ich der Antwort nahe bin und selbstverständlich erregt mich das.
Noch drei vier Tassen, dann -
Finger bleibt ruh-
Nur noch diese Tas-
was? -
Nein ich klopfe nicht-
Nur mein Kopf-
Lust auf einen Kaffee?
Frisch gemahlen
Ach, Sie trinken Tee? Schade

Donnerstag, 21. Juli 2011

Zwischen Krisen, Kraken und Degenerationstrieb; einer neuen Troika und zwei springenden Damen

Und hier wieder die Wochenschau mit Bemerkenswertem der letzten Woche: 

Seit ich gesehen habe, wie die Dame meines Herzens, mit weit vorgestreckten Händen, klatschend durch die Küche hüpfte um eine Fruchtfliege zu erlegen und dabei immer wieder daneben langte, weiß ich, warum weniger geschickte Torhüter Fliegenfänger genannt werden.

Hervorragend Bälle statt Fliegen hat hingegen die Torfrau der japanischen Fussballmannschaft gehalten.
Von hier aus viele Glückwünsche zum WM Titel!

Nun ist die Weltmeisterschaft vorbei und somit sind auch die Fussball-Vorhersage-Kraken überflüssig geworden.

Statt dessen tauchte Datenkrake Elena letzte Woche in den Medien auf.
Ihr soll es "schnellstmöglich" an den Kragen gehen. 
Die von ihr bereits gespeicherten Daten sollen zwar "unverzüglich" gelöscht werden, es kann aber etwas dauern, bis das alles von Hand abgeschrieben sein wird. 

Davon abgesehen haben wir natürlich Krise. 
Finanz- und Wetterkrise. 
Regenschirm oder Rettungsschirm, was ist wichtiger?
Aber wir haben auch das gute, alte Erfolgskonzept der SPD: Die Troika.
Mit Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier bietet die SPD das Beste auf, was sie zu haben glaubt, um der Krisen im wahrsten Sinne des Wortes Herr zu werden. 
Keine Frau dabei? Kein Nachwuchs?

Wir erinnern uns, die letzte SPD Troika von 1994:
Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder und Rudolf Scharping.
Zwei Egomanen und ein Langweiler.
Viel dazu gelernt hat die SPD nicht.

Das heutige Trio hat sich die Aufgaben wie folgt aufgeteilt:
Gabriel gegen die Wetterkrise, Steinbrück gegen die Finanzkrise und Steinmeier gegen die Umfragekrise.
So kann's klappen!

Ganz und gar nicht klappen kann, was RTL vorhat:
Oliver Pocher bekommt eine neue Sendung. 

Erklären kann ich mir das nur damit, dass es einen unbewussten Degenerationstrieb des kollektiven Fernsehbewusstseins gibt, immer wieder das eigene Niveau zu unterschreiten.  

... und das war's schon wieder für diese Woche.
Bis zu nächsten Mal, Ihre Meinblogwalter Wochenschau  

Donnerstag, 14. Juli 2011

Zwischen Tante Emma und einer Bestie; der Schönheit hinter der Stirn und dem Viertelfinale

Und hier die Wochenschau mit Bemerkenswertem der letzen Woche: 


Seit mehr als 25 Jahren gibt es in Deutschland Mobiltelefone. Zeit genug - könnte man meinen - zu lernen, damit auf zivilisierte Art umzugehen.

Ich weiß nicht, ob ein Handy am Ohr aus manchen Menschen Bestien macht, die für guten Empfang töten oder ihr Gespräch weder für ein ertrinkendes Kleinkind noch für ein bisschen Frieden auf Erden unterbrechen würden, oder ob der Umgang mit dem Handy nur der Indikator für die soziale Delle dieser Leute ist.

Auf jeden Fall sind sie nicht zu überhören, und so ist mir wieder einmal aufgefallen, dass der Mensch, der in der Öffentlichkeit telefoniert, nichts als so wichtig erachtet, wie sich selbst.
 
Der Schauplatz: Eine spärlich befahrene Kreuzung, geringer Verkehrslärm; kein Grund zu schreien, nur wer zu leise redet, den versteht man nicht.
Und dann kam sie. 
Brüllte mir ins Ohr, obwohl ich am anderen Ende der Kreuzung, am von ihr entferntesten Punkt stand. Ich sah, wie sie das Handy an die Backe presste und sich ansonsten ganz normal benahm. 
Außer, dass sie schrie, was das Zeug hielt.
Um was es ging? Belangloses. Kein Streit, kein Weltuntergang.  
Ich nehme an, für sie war es ein normales Gespräch. 
 

Oder sie hat eine Fehlfunktion im mittleren orbitofrontalen Kortex und empfindet die Melodie ihrer Stimme als schön.
Forscher haben heraus gefunden, dass hinter der Stirn, im mittleren orbitofrontalen Kortex, der Sinn für Schönheit sitzt.
Von hinter der Stirn bis auf die Straße aber ist ein weiter Weg, der oft im Hässlichen endet und bei Musik streiten sich eh die Geister wie die Gangster.

Ihre Krücken weg geworfen und auf den Weg gemacht hat sich übrigens die seit langem vermisste Grande Dame des "Darf's noch was sein?"
Tante Emma ist im Anmarsch.
Mit "Lädchen für alles" und "Nahkauf" wollen Tegut und Rewe der guten alten Tante Emma wieder Platz in Dörfern und Städten verschaffen.
Von der rüstigen Tante vernimmt man, dass sie bester Dinge sei und sich stark fühle wie eine weiße Schürze. 
Originalton Emma: "Isch hab zwar extra 's Inderned gelernt, aber so isch mir des noch mehr recht."

Noch eine Meldung aus dem Sport:

Nur mit der Hoffnung auf Standards gewinnt man auch im Frauenfussball kein Viertelfinale

... und das war's schon wieder für diese Woche.
Bis zu nächsten Mal, Ihre Meinblogwalter Wochenschau  

Freitag, 8. Juli 2011

Zwischen Seibert, Lindner, Chávez, Kilmister, Maradona, dem Zugbegleiter und einer Ruderwanze - das Wetter

Und hier das Bemerkenswerteste aus der letzten Woche:

In Deutschland gibt es ab sofort dreizehn Klimazonen.
Unter anderem die April Wetter Zone, die schwül-heiße Zone, die Hamburger Schmuddelzone und die instabile Zone.
Die Klimazonen kommen und gehen wann und wohin sie wollen.
Jahreszeiten wurden abgeschafft (zu unflexibel).

mobilino, die Kinderseite im Deutsche Bahn-Magazin "mobil", erklärt ihren kleinen Lesern, der Zugbegleiter im ICE "...weiß genau, ob alle Anschlusszüge erreicht werden".
Verschwiegen wurde, dass er außerdem die D-Mark zurück bringt, die Sterne am Himmel geweißelt und den Weihnachtsmann zum Osterhasen gemacht hat.
Wenn man Kinder schon informiert, dann bitte vollständig.

Die erheiterndsten Tweets auf Twitter stammen oft von offiziellen, sogenannten verifizierten und vorsätzlich gewichtig geführten Konten.

Hugo Chávez, zum Beispiel, schreibt mit triefendem Pathos, Steffen Seiberts Mitteilungen haben etwas bubenhaft Streberisches an sich und Christian Lindner reiht jovial und zackig eine Nichtigkeit an die andere.

Das Märchen vom Hasen und vom Igel.
Für einen englischen Fussballfan muss es ungefähr so lauten, dass immer ein Argentinischer Spieler schneller, besser, gewitzter ist, als die Spieler der englischen Mannschaft.
Viele haben bis heute nicht verstanden, wie Maradona 1986 die gesamte englische Hintermannschaft ausdribbeln und die Spieler dabei als klobige Eichen aus Sherwood Forest bloß stellen konnte.
Und dabei hatte dieser kleine, nur 165 cm hohe Schlawiner zuvor schon mit Hilfe der "Hand Gottes" den Ball über den bestimmt grundehrlichen, aber eben auch etwas unbeholfenen Hühnen Peter Shilton hinweg ins Tor bugsiert.
Neben Schlitzohrigkeit gibt es ein weiteres probates Mittel um England aus einem Tunier zu werfen: das Elfmeterschießen.
Das geht zwar an die Nerven, funktioniert aber nachweislich fehlerfrei. Ich möchte nur an die WM 1990 und die Namen Pearce und Waddle erinnern.

Und jetzt kommt diese schier unglaubliche Nachricht:
England schießt Argentinien im Elfmeterschießen aus dem Achtelfinale.
Zugegeben, es handelt sich um 16 - 17 Jahre alte Spieler bei der U-17 WM, die ihre Verpflichtung der Tradition gegenüber noch nicht verinnerlicht haben.
Spätestens zu ihrem achtzehnten Geburtstag werden ihnen solche Flausen wie Elfmeter-verwandeln und gegen-Argentinien-gewinnen wieder ausgetrieben werden.

Aber nicht nur Fussballer, auch Wanzen haben etwas zu bieten:
Die männliche Ruderwanze (Micronecta scholtzi) ist der größte Krachmacher unter den Tieren.
Sie schabt mit den Vorderbeinen in der Lautstärke eines Presslufthammers an ihrem Kopf und lockt damit Sexualpartner an.
Also so ungefähr, wie Lemmy Kilmister und Kollegen das mit diversen Instrumenten und Körperteilen versuchen.

Und zum Schluss noch die Auflösung für das verlesene Wort von letzter Woche:
statt "Talentlosigkeit" muss es natürlich "Topfpflanzigkeit" heißen.

... und das war's schon wieder für diese Woche.
Bis zu nächsten Mal, Ihre Meinblogwalter Wochenschau