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Dienstag, 23. August 2011

Ein Fanatiker in der Stadtbücherei

Erst dachte ich, es mit einem Verschrobenen zu tun zu haben, dann, mit einem Verrückten, einem Wahnsinnigen. Inzwischen bin ich mir sicher: Es ist ein Fanatiker. Ein wahnsinniger Fanatiker.

Er verfolgt mich, vielleicht verfolge ich auch ihn. Die Grenzen verwischen. Ich weiß nicht, wer er ist, wo er ist, aber wohin ich komme, da war auch er.

Vielleicht ist es auch eine Frau. Ich weiß wenig über diese Person, aber ein Mensch muss es sein. Sie liest und sie nimmt hin und wieder einen Bleistift zur Hand um etwas durchzustreichen: englische Lehnwörter.

Egal, welches Buch ich mir in der Stadtbücherei ausleihe, der Fanatiker war schon da und hat durchgestrichen. Kleinlich und ohne Sinn und Verstand. Ein paar Beispiele aus dem Buch von Juan Moreno, Von mir aus: Wahre Geschichten. Da liest man von der „Ostband“ „City“. Sowohl „City“ als auch „-band“ wurden durchgestrichen. Ebenso das „-song“ von „Steuersong“ oder die Worte „clever“ und „surfte“ usw. usf. Er lässt weder „ok“ noch „durchgecheckt“ stehen, penibel sind alle irgendwie aus dem englischen kommenden Begriffe durchgestrichen.

Und es betrifft nicht nur ein Buch. Nein! Jedes zweite Buch, das ich in die Hand bekomme, wurde von diesem Wahnsinnigen bearbeitet. Unterschiedlichste Werke, bekannter und weniger bekannter Autoren. Was ist das für ein Mensch?
Und warum scheint er die gleichen Bücher zu lesen wie ich? Das macht mir Angst. Gespaltene Persönlichkeit und so. Man hört so viel... weiß ich, mit was ich die Nächte, wenn ich angeblich schlafe, zubringe?
Auch mich ärgern manche Anglizismen. Auf „das macht Sinn“ und „am Ende des Tages“ verzichte ich genau so gerne wie auf das Apostroph bei „Peter’s“. Aber deswegen jedem kleinen Lehnwort den Garaus machen? Skrupellos in Büchern anderer Leute rumkritzeln, zu streichen und zu verbessern? No, not me.

Das muss ein wirklicher Fanatiker sein.
Der Begriff Fanatiker kommt von lateinisch fanaticus. Das bedeutet göttlich inspiriert zu sein, in rasender Begeisterung, von der Gottheit ergriffen. Nun ist mit Göttern viel passiert, seit die Römer nicht mehr Latein reden und schon manch einer hat für göttliches Gebot gehalten, was nur leerer Schall oder schlicht Unsinn war. Der verrückte Bruder des Unsinns ist bekanntlich der Wahnsinn, mit dessem Wortteil „Wahn“ irrige Vorstellungen bis zwanghafte Einbildungen benannt werden. Was für eine arme Sau muss das sein, der die Welt verbessern will indem er Wörter in Büchern einer öffentlichen Bibliothek durchstreicht? Ein Fanatiker eben.
Doch er macht Fehler. Bei „be happy“ hat er das „be“ übersehen, bei „swimmingpool“ das „swimming“ – aber, was soll ich sagen? Shit happens, nobody's perfect und Idiot ist ja auch ein Wort aus einer anderen Sprache.

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