Geschichten, Glossen, Satiren, Humor, Unsinn, Erleuchtung - ich lache auch für Kalauer

Sonntag, 30. Oktober 2011

Pandas im Kino

Das Leben kann ein Abenteuer sein. Trotz aller Bürokratie. Einfach mal dreizehn gerade sein lassen, so wie der Bundesfinanzhof, der entschieden hat, Popcorn im Kino grundsätzlich nur mit 7% zu versteuern, im Gegensatz zur Currywurst an Imbissständen mit Sitzgelegenheiten: Dort wird mit 19% versteuert.
Ja, das Leben ist ein Abenteuer.
Stellen Sie sich vor, sie säßen im Kino, mit einer Tüte steuerbegünstigtem Popcorn, und während Sie sich eine Hand voll nach der anderen in Ihren Mund schieben, kommt ein Pandabär und setzt sich neben Sie.
Er hat kiloweise Bambus dabei, aber keine Ahnung vom deutschen Steuerrecht. Er knabbert genüßlich an den Zweigen, dass es nur so knackt und schmatzt.
„Die Vorstellung, dass ein Pandabär mit einem armvoll Bambus neben mir im Kino sitzt, ist vollkommen unrealistisch", werden Sie sagen. „Damit kommt er niemals durch die Kontrolle."
Mit der Kontrolle haben Sie recht, also seien Sie großzügig, geben sie dem Bären neben Ihnen etwas ab, reichen Sie ihm die Schachtel rüber und wenn er aus höflicher Bescheidenheit mit seiner Pfote abwinkt, ermuntern Sie ihn:
„Greif’ zu, Panda, ist für lau. Und nachher erzählt du mir, wie du das mit dem Bambus machst.“
Davon isst er nämlich rund zwanzig Kilogramm am Tag, obwohl sein Darmsystem völlig ungeeignet für solche zähen Pflanzenstoffe ist - und auch wenn sein Riesenschädel und die kräftigen Kaumuskeln viel an Vorarbeit leisten, blieb seine Verdauung bis vor kurzem ein Rätsel.
Mir ist ein Rätsel, warum die Mehrheit der Deutschen für eine Helmpflicht auf dem Fahrrad sein soll.
Dabei kann ich den Herrn Verkehrsminister Ramsauer gut verstehen, wie er, beinahe entschuldigend, sagte: „Wenn sich die Helmtragequote von neun Prozent nicht signifikant auf weit über 50 Prozent erhöht in den kommenden Jahren, dann muss man fast zu einer Helmpflicht kommen“.
Was soll er denn machen, der Herr Ramsauer, angesichts solcher Zahlen und allgemeiner Sturrheit?
Gut, er könnte für bessere Radwege oder Tempo 30 Zonen eintreten. Er könnte sich bemühen, dass weniger Menschen das Auto nehmen und statt dessen Lust auf's Fahrrad fahren bekommen.
Wer will denn noch auf's Rad steigen, wenn man jedesmal erst einen Helm suchen, finden und aufsetzen muss? Und wie sollen Fahrraddiebe damit klarkommen? Abends in der Kneipe saufen und immer einen Helm dabei haben für den Fall, dass man ein Rad für den Nachhauseweg knacken muss? In Städten gibt es inzwischen Massen an Mietfahrrädern, die an Ecken und Plätzen zur spontanen Nutzung stehen. Sollen die dann alle mit einem verflohten Helm ausgerüstet werden?
Und was machen Menschen mit großem Kopf? Oder Schrumpfköpfe? Ist es bald wieder so weit? Was machen Pandabären mit ihren Riesenschädeln?
Warum nicht eine Helmpflicht für Autofahrer? Soll denen doch der Spaß vergehen.
Aber vielleicht ist das alles nur ein PR-Gag. Immer öfter höre oder lese ich den Begriff PR-Gag. So ein PR-Gag soll großes Erstaunen und mega Aufmerksamkeit erregen. Es ist sowas wie ein Aprilscherz von Werbetreibenden oder Journalisten auf der Suche nach großen Abenteuern jenseits von Popcorn und Fahrradhelmen.
Und das Unheimlichste: Es gibt Menschen, die sich PR-Gags ausdenken. Die sitzen irgendwo und denken oder labern und überlegen sich, dass man ja mit etwas ganz Großem, einen Event eventuell, etwas Unwichtiges wichtig machen kann.
Der Trick dabei ist, Nachrichten zu lancieren, bei denen exakt 33% der Bevölkerung glauben, sie sei wahr und 67% glauben, das sei nur ein PR-Gag.
Jetzt habe ich zum Beispiel gelesen, die Rockband The Queen möchte Lady Gaga als Sängerin – und sofort wurde diese Nachricht als PR-Gag angezweifelt.
Her Majesty The Gaga Queen – und welche Freude, wenn sie dann „Radio Ga Ga" singt (kommt sie um ein „all we hear is Lady Gaga“ herum?).
Fragen über Fragen, dabei wollte ich doch nur die eine noch beantworten:
Im Darm von Pandabären leben Bakterien, die Enzyme zum Abbau harter pflanzlicher Stoffe liefern. Es sind die kleinen Bakterien, die den großen Bären beim Verdauen helfen. Und das ist ja wohl ein versöhnliches Abschlussbild.

Bis zur nächsten Woche, Ihr MBW

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Was macht eigentlich... beim Zähneputzen?

Geschichten des täglichen Lebens

   Quelle: zeno.org
Ich sage es lieber frei heraus: Die Dame meines Herzens leidet unter einer Zähneputz-Aufräum-Manie. Eigentlich bin ich es, der darunter leidet. Sie selbst scheint in einem beseelten Zustand zu schweben, wenn es sie packt - und es packt sie jeden Abend.
Sie verschwindet im Badezimmer, verbringt dort einige Zeit, manchmal pfeift sie eine Melodie, manchmal höre ich nichts, dann geht die elektrische Zahnbürste an, die Tür geht auf und die Dame meines Herzens tritt hinaus. Die Haare hoch gesteckt, den rechten Ellbogen nach vorne gestreckt, die Hand zeigt zum Mund, im Mund die Zahnbürste. Während sie vor sich hinbrummt, beginnt sie, die Wohnung aufzuräumen. Trägt eine Zeitschrift von hier nach da, ein Glas in die Küche, putzt kurz die Fenster und bringt den Müll runter.
Ich sollte vielleicht froh sein, dass sie so ein fleißiges Bienchen ist, aber ihr Gesumme geht mir auf den Wecker. Kann sie nicht Brummen, wenn ich nicht zu Hause bin? Jetzt schwirrt sie wieder durch die Gegend. Ich höre sie durch die geschlossene Türe. Sie geht vom Badezimmer ins Wohnzimmer, durch den Gang in die Küche, kommt wieder zurück, ins Wohnzimmer, hält sich dort eine Zeit lang auf, dann nähert sich das Brummen wieder, die Tür geht auf und die Dame meines geschundenen Herzens tritt herein.
„Kannst du nicht deine Zähne im Bad putzen?“
Sie schaut durch mich hindurch, ihr Blick wie in Trance. Sie muss aufräumen, sie hat eine Mission – wenn ich sie so sehe, beginne ich an Dinge wie die Verkündigung Marias zu glauben, nur spricht zur Dame meines Herzens nicht der Erzengel Gabriel, sondern eine Zahnbürste der Marke Braun und sie empfängt nicht Gottes Sohn sondern die Sendung, Ordnung in der Bude zu schaffen.
Die dem profanen Weltgeschehen abgewandte, auf Höheres gerichtete Entschlossenheit in ihrem Blick jedoch erinnert an den Ausdruck in Marias Augen auf Jan van Eycks Gemälde „Maria Verkündigung“.
Ich habe die Dame meines Herzens einmal gefragt, warum sie beim Zähneputzen immer herum laufen muss.
„Nadine Angerer macht das auch“, hat sie geantwortet.
Nadine „Natze“ Angerer, ist Torhüterin und inzwischen auch Spielführerin der deutschen Damen-Fussball-Nationalmannschaft.
„Nadine Angerer hat das Tor gegen Japan reingelassen.“ Ich denke, das reicht als Argument, dass das Verhalten dieser Frau nicht als Ausrede oder gar Vorbild dienen sollte.
„Zähneputzen ist so langweilig“, sagt sie.
Für mich ist Zähneputzen Zen-Meditation. Ich blicke in den Spiegel, verfolge mit größter Aufmerksamkeit wie die Zahnbürste langsam kreist. Ich konzentriere mich auf die Muskeln meiner Finger, meines Armes, werde mir bewusst, welche Körperteile angespannt sind, entspanne meine Schultern, den Rücken, die nicht genutzten Muskel. Voller Achtsamkeit erspüre ich den Druck der Zahnbürste auf meinem Zahnfleisch und wenn ich genug meditiert habe, denke ich an die Fussballspiele der letzten Tage. Nach dem Zähneputzen bin ich reif fürs Bett.
Die Dame meines Herzens erwacht dabei. Manchmal kommt es vor, dass sie spät abends auf der Couch einschläft. So auch gestern. Ich beugte mich zu ihr hinab.
„Chérie, geh’ doch ins Bett.“
Sie gab einen unartikulierten Laut von sich, der ausgesprochen „Knoblauch und Zwiebeln“ bedeuten könnte. Ich fuhr zurück. Wein war auch dabei.
Auch wenn ich es nicht gerne sagte, auch wenn ich wusste, was passieren würde – es war das Beste – auch für sie.
„Chérie, du musst dir noch die Zähne putzen.“
Sie versuchte mich anzuschauen, bekam aber die Augen nicht auf. Sie war versunken in tiefster Nacht. Ich redete ihr nochmals zu. Sie kämpfte sich mit unerträglicher Langsamkeit hoch, plapperte ein bisschen und trottete mit gesenktem Kopf Richtung Badezimmer.
„Aber nicht auf der Toilette einschlafen“, rief ich ihr noch nach, dann war sie verschwunden.
Sekunden später hörte ich das altbekannte Brummen, die Türe ging auf und die Dame meines Herzens stürmte heraus, voller Tatendrang und munter wie eine Amsel am frühen Morgen.